Wale in Sicht!

Heute ist wohl der Tag auf den ich mich seit der Anreise am meisten gefreut habe — man könnte schon fast sagen entgegengefiebert habe! Wir fahren raus zum Whale Watching! Und fahren ist zunächst auch das Stichwort. Von unserem Hotel in Moncton ist es eine Autofahrt von ungefähr 3,5 Stunden um an unser anvisiertes Ziel, St. Andrews, zu kommen. Doch das stört mich wenig! Vielmehr schauen wir bei Verlassen des Hotels am frühen Morgen besorgt in den Himmel…er hat seine Schleusen geöffnet und es stürmt, regnet und ist mehr als ungemütlich. All das wäre mir piepegal wenn ich nicht wüsste, dass Wind heute unser größter Feind ist. Wir wollen mit einem Zodiac auf Walsuche gehen (ein großes Schlauchboot) — und wenn es zu sehr windet ist das einfach nicht möglich… Magda und ich sind besorgt… aber optimistisch wie wir sind erstmal rein ins Auto und auf den Weg gemacht!

Unser erstes Ziel auf dem Weg ist Saint John — eine kleinen Hafenstadt auf halben Weg. Hier machen wir zum Lunch halt und genießen ein weiteres Mal großartiges Seafood. Ich bin ja mittlerweile ein großer „Seachowder“ Fan! Ein Eintopf mit cremiger weißer Soße, in dem alles schwimmt was mit Seafood auch nur im Geringsten zu tun hat. Betrachtet man das Gericht beim ersten Mal noch mit einiger Skepsis, so ist es nach dem ersten Bissen um einen geschehen — einfach lecker!

Unser Guide Wayne testet seit wir ihn kennen jeden Tag an einem anderen Ort Chowder, und es ist uns ein Vergnügen sein Ratingsystem jeden Tag aufs Neue abzufragen. Auch in Saint John ist das Wetter nicht auf unserer Seite… nur noch 1,5 Stunden Fahrt und es stürmt aus allen Löchern. Am Tisch sieht man bedrückte Gesichter…keiner rechnet mehr so wirklich mit einem guten Ausgang. Frisch gestärkt geht es weiter Richtung St. Andrews. Wir durchfahren Landschaften die wie Bilderbuch-Kanada aussehen — so stellt man es sich vor! Wald wohin man auch schaut, dazwischen Seen, Kanäle Richtung Meer, kleine Holzhäuser gestrichen in allen Farben des Regenbogen… ich bin fasziniert und lausche Waynes Geschichten aus der Region. Zwischendurch gibt es immer wieder kleine Stopps sobald das uns begleitende Kamerateam einen schönen Spot zum drehen ausgemacht hat. Bei so viel Naturschönheit um uns herum hat man schon fast die Qual der Wahl. Aber eins ist sicher: Das VOX-Tours Special welches wir drehen, wird nur so strotzen von schönen Bildern!!! Noch eine halbe Stunde Fahrtzeit vor uns… der Himmel grau… ach menno…das darf einfach nicht sein!!! Dann die Entwarnung: Valerie, unser zweiter Guide kommt freudestrahlend zu unserem Auto und lässt uns wissen, dass in St. Andrews die Sonne scheint und unserem Ausflug nichts mehr im Wege steht! Magda und ich flippen aus!! Damit hatte keiner mehr gerechnet!!

Und tatsächlich… kurz vor St. Andrews reißt der Himmel auf und die Sonne strahlt!!! Die Stadt ist so putzig, dass ich eigentlich gleich bleiben will! Jedes Haus eine andere Farbe, eine Mini Einkaufsstraße mit Pubs und Souvenirläden, ein Hafen mit lustigen Orten zum verweilen wie dem „Hungry Whale Cafe“… ein Träumchen wie aus dem Prospekt kopiert. Am Hafen erwartet uns schon unser Wal-Tour-Experte. Er erklärt uns, dass der Wind schon ein Problem werden könnte — zumindest sollen wir uns auf einen heftigen Ritt gefasst machen. Mich hält jetzt nichts mehr — mir doch egal — Hauptsache raus! In weiser Voraussicht habe ich am Vortag im Drugstore „Gravol“ besorgt und mir und Magda eine Tablette gegönnt — nur zur Sicherheit. Wir werden in Ganzkörperkondomartige Überlebensanzüge gesteckt und los geht’s!!

Der Weg raus aufs Meer ist ein Heidenspaß! Die Wellen sind hoch, das Meer unruhig, unser Boot springt von Welle zu Welle und ich bin nach 5 Minuten von Gischt und Wellen pitschenass — toll!! Vorbei an Inseln, Auster Farmen und kleinen Häuschen auf verlassenen Eilands in die ich sofort spontan einziehen würde. (ich olle Romantikerin ich..). Nach ungefähr einer halben Stunde haben wir das offene Meer erreicht…jetzt heißt es Ausschau halten. Gar nicht so einfach bei dem hohen Wellengang. In diesem Moment sind wir mehr als glücklich über unser Gravol!! Und da — die ersten Finnen werden entdeckt! Die nächsten Minuten verbringen wir damit wie aufgekratzte Flöhe immer wieder in andere Richtungen zu zeigen und zu juchzen, sobald sich eine Flosse zeigt. Um uns herum wimmelt es von Schweinswalen. Nicht besonders groß und Delphinen vom Ansehen sehr ähnlich, tauchen sie unter unserem Boot her und durchpflügen das Wasser. Ach wie ist das toll!

Ich selbst engagiere mich seit längerer Zeit für die WDCS (Whale and Dolphin Conservation Society), die weltweit größte Wal und Delphinschutzorganisation. In diesem Jahr haben wir gemeinsam eine deutschlandweite Kampagne gegen kommerziellen Walfang umgesetzt. Denn leider werden jedes Jahr noch bis zu 1500 dieser Meeresbewohner abgeschlachtet — vornehmlich von Ländern wie Japan, Island und Dänemark…eine schlimme Sache. Umso glücklicher bin ich gerade, hier in der Fundy Bay zu sein, und sie live vor mir zu haben…ich habe Bauchkribbeln. Unser Wal Experte ist ständig in Kontakt mit allen Booten in der Bucht um sich Walsichtungen durchgeben zu lassen. Das Gerücht geht um, dass ein Finnwal in der Nähe ist. Finnwale sind die zweitgrößten Wale überhaupt und werden bis zu 25 Meter lang. Aber zunächst bringt uns die Sichtung von „Minkys“ völlig aus der Fassung. Schon um einiges größer als Schweinswale (ca. 5-6 Meter) gleiten sie majestätisch durch das Wasser, welches immer noch mehr als aufgewühlt ist. Das hat spätestens jetzt auch Auswirkungen auf den Magen eines Mitglieds unserer Gruppe…aber nun ja, die Fische stört es nicht wirklich…

Wir machen einen Abstecher zu einer Seehundbank in der Nachbarbucht und wollen eigentlich schon zurück zum Hafen, als ein Fischerboot einen Finnwal ca. 10 Minuten von uns entfernt meldet. Keine Frage: Da wollen wir hin! Der Wind hat sich urplötzlich gelegt und das Wasser liegt spiegelglatt vor uns… Wir sollen nach einer Fontäne Ausschau halten…konzentriert beobachten wir das Meer. Eine größere Ansammlung von Möwen gibt einen guten Anhaltspunkt. Die Wale wirbeln unter Wasser die Fische auf, welche die Möwen dann einfacher zu fassen bekommen — sie werden somit zu unserem Radar. Und da, eine Fontäne direkt vor uns….ich bin total aufgeregt…und gerade jetzt ist der Akku leer…Magdas hat schon den Geist aufgegeben und ich bete, dass ich noch ein oder zwei Minuten habe…Wo ist er bloß? Und ganz plötzlich ist er da… ein Stück vom Boot entfernt erhebt sich ein Finnwal aus dem Meer. Unser Wal Experte schätzt ihn auf ca. 20 Meter und 60 Tonnen Gewicht…den Schwanz hebt er nicht…Finnwale machen das im Gegensatz zu vielen anderen Walarten nicht. Noch einmal eine große Fontäne, dann beugt er den Rücken und verschwindet im Meer. Ich bin platt…und glücklich…wie schön…

Zurück im Hafen erkennen wir St. Andrews kaum wieder — die Ebbe hat eingesetzt, und wo vorhin noch Boote waren, herrscht jetzt der Schlamm… Fundy Bay halt! Im Auto überprüfen wir unsere Fotoausbeute und stellen fest, dass wir Millionen Fotos von wunderschönen Wellen haben ? – Wasser, Wasser, Wasser…wir haben einfach draufgehalten. Aber hier, auf diesem Foto ist er — seine Fontäne, sein Rücken…mein Finnwal…was für ein Tag!

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